Der Traum über dem Tegernsee
Ein neuer Bildband des Deutschen Kunstverlages vermittelt anschaulich die Geschichte von Schloss Ringberg
Seit 25 Jahren nutzt die Max-Planck-Gesellschaft Schloss Ringberg über dem Tegernsee als Tagungsstätte. Wenn man Ringberg das erste Mal sieht, glaubt man zu träumen - so sehr irritiert der Stilmix aus Villa, Burg und Schloss, aus Mittelalter, Barock und Jugendstil. Die Bedeutung und die Geschichte des Gebäudes stellt jetzt ein Bildband dar, der aus einer jahrelangen Beschäftigung mit Ringberg erwachsen ist.
Zugleich dient das Buch der Wiederentdeckung des Künstlers Friedrich Attenhuber, der 35 Jahre lang Hauskünstler auf Schloss Ringberg war und 1947 dort auch gestorben ist. Von Attenhuber stammen die gesamte Malerei im Schloss, ein Großteil der vollständig erhaltenen Inneneinrichtung und Teile der Architektur; insofern ist das Schloss am Tegernsee eines der seltenen Gesamtkunstwerke.
Bauherr war von 1912 bis zu seinem Tod im Jahr 1973 Herzog Luitpold in Bayern, der letzte Spross einer Nebenlinie der Wittelsbacher. Luitpold hat große Teile seines Vermögens in Ringberg verbaut. Allerdings wurde das Schloss nie fertig und außer Attenhuber und einem Hausmeisterehepaar wohnte nie jemand länger darin.
Die Hauptautorin des Bandes, Helga Himen, war viele Jahre am Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege beschäftigt und hat über Schloss Ringberg ein Inventar aller Einrichtungsgegenstände und eine Promotion verfasst, welche die Textgrundlage des Buchs bildet. Die Kunsthistorikerin Heiderose Engelhardt hat den Text der Doktorarbeit überarbeitet. Der Druck des Buchs wurde von der Max-Planck-Gesellschaft gefördert, Präsident Peter Gruss steuerte ein Vorwort bei. Weitere Beiträge stammen vom Altpräsidenten der TU München, Otto Meitinger, nach dessen Entwürfen das Schloss teilweise ausgebaut wurde und der 13 Jahre lang Leiter der Bauabteilung der Max-Planck-Gesellschaft war.
Meitinger hatte schon länger Kontakt zum Bauherrn und schildert vor allem, wie das Schloss zur Max-Planck-Gesellschaft kam. Ein Beitrag von dem Materialwissenschaftler Manfred Rühle, emeritierter Direktor am Max-Planck-Institut für Metallforschung in Stuttgart, beschreibt das Schloss aus der Sicht eines Tagungsorganisators.
Rühle brauchte nur eine Mail an seine ausländischen Kollegen zu schicken, um kurze Erinnerungen an Ringberg zu erhalten, unter anderem von kalifornischen Wissenschaftlern - drei davon sind im Buch abgedruckt. Neben der Kunstgeschichte schildert das Buch auch das Drama der beteiligten Personen: Herzog Luitpold in Bayern baute bis zu seinem Tod mit wachsendem Realitätsverlust am Schloss. In seinen letzten Lebensjahren suchte er eine sinnvolle Verwendung und einen Erben für den Bau; 1967 wurde ein Vertrag mit der Max-Planck-Gesellschaft geschlossen, die 1973 das Erbe antrat. Herzog Luitpolds Bauleidenschaft wird teilweise verständlich, wenn man Ringberg in die Reihe der vielen wittelsbachischen Schlösser stellt.
Friedrich Attenhuber, sein Hauskünstler und Reisebegleiter, sieht zunächst in Ringberg seine große Chance. Dann jedoch wird das Schloss immer mehr zur Falle für ihn, die Konflikte mit dem Bauherrn werden zunehmend problematisch. Attenhuber erhält zwar freie Kost und Logis, aber kein Geld für seine Arbeit. 1947 findet man ihn tot am Fuß des Turmes. Vermutlich hat er sich herunter gestürzt.
Man braucht tatsächlich fast ein ganzes Buch, um den eigenwilligen Stil von Ringberg und seiner Inneneinrichtung nachvollziehen zu können. Attenhuber war ein hochproduktiver Künstler. Seine malerische Entwicklung allerdings ging von der anfänglichen Modernität weg zu einem Heimatstil, den man leicht mit dem Blut-und-Boden-Stil der Nazis verwechseln kann. Am Schluss sei Otto Meitinger zitiert, dessen Einschätzung von Ringberg sich stark verändert hat. Während er am Anfang keinen inneren Bezug zum Bau finden konnte, sieht er Ringberg heute mit anderen Augen: "Es steht vor allem für ein Suchen nach neuen künstlerischen Ausdrucksformen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts."